TRANSFORMATIONEN:
Bottom-up meeting top-down (4)
15.10. 2025 ca. 11 min. Lesezeit
Die Begriffe gab es hier schon mehrmals. In Anbetracht von Ignoranz und Arroganz als scheinbar vieles beherrschende Maximen des Gesellschaft(en) und ihre (politische) Willensbildung steuernden Tuns und Lassens soll dies hier weiter vertieft werden.
Eigentlich liegt alles in vielen Schubladen und Ordnern digital und analog parat. Es gäbe eine Zukunft, an der WIR gemeinsam bauen könnten. Das ist jedoch kein einfacher Vorgang. Er erfordert eine gewisse Demut. Eine gewisse Achtung. Vor (Mit-) Menschen und den Dingen, die uns umgeben. Neugierde und die Bereitschaft, diese Themen anzugehen. Vertrauen aufzubauen. (Begründetes) Misstrauen zielgerichtet abzubauen. Sich vom für „Macher und Leistungsträger in der Erbokratie“ bequemen, ideologisch begründeten (neoliberal austeritätsbestimmten) Kalkül des „Business as usual“ zu verabschieden. Und anzufangen, sich der Bedarfe der „99 Prozent“, also der Mehrzahl der Menschen auf den Böden der Tatsachen anzunehmen. Und den Bedarfen der Böden der Tatsachen selbst. Letztlich leben WIR nicht in einer „post-entropischen Blase“ wie einige „Tech-Milliardäre, die sich als eine höhere Spezies sehen“ und eigentlich nur den eigenen Tod als einzige Grenze ihrer Macht und ihres Daseins (be- und ehr-) fürchten.
„Ästhetik(en) des Widerstands" 1 betreffen da einmal mehr das Aufstehen gegen „Herdentriebe in freier Wildbahn ungeregelten Wirtschaftens“ bei "bedingt unteilbarer Vielfachunterteiltheit" 2 von Schafherden und Thunfischschwärmen und insofern „individuell käuflich maximierbarer Freiheit“ für Leitwölfe und Haifische. Der Rückzug auf längst überwunden geglaubte Positionen indes scheint weiterhin verschließen zu wollen, was Zukunft sein könnte. Was Zukunft sein müsste, wollten WIR wirklich noch so etwas wie Perspektiven für menschliche Gesellschaften auf dem Planeten bereithalten. Gegenwärtiges Handeln also. Scheinbar hilft da nur noch Humor. Zumal, wenn man als Schaf und / oder Thunfisch noch mal davongekommen ist. Und die Hobbes’sche Metapher immer mehr als Beleidigung für wirkliche Wölfe und reale Haifische empfindet. Und sich fragt: Wie lange noch?
Gesetze, Richtlinien, Normen und Verfassungsziele sind in allen Rechtsräumen geschrieben. „Die Neue Leipzig Charta (NLC)“ gilt als rechtspolitisches Leitdokument für eine am Gemeinwohl orientierte Zukunft europäischer Städte“ schreibt Katja Schubel zu Beginn unter der Überschrift: „Mit progressiver Bodenpolitik zur Postwachstumsstadt – Innenentwicklungspotentiale gemeinwohlorientiert gestalten.“ 3
Die Rolle rückwärts jedoch ist allgegenwärtig. Auf allen Gebieten. In allen Rechtsräumen. Wehe, wer jetzt keine sichere Bleibe hat! Keinen sicheren Job, wo er oder sie nicht selten alleine oder zumindest bevorzugt die individuellen (Verfassungs-) Ansprüche anderer zu erfüllen hat. Heiner Flassbeck, der Gustav Horn und der SPD Ignoranz gegenüber Angebots- und Nachfrageschock als quasi zeitgleich auftretende Ereignisse im Rahmen der harten Zeiten insbesondere für (Noch-) Arbeitnehmer und solche, die es bald oder schon nicht mehr sind vorwirft. Maurice Höfgen, der gleichfalls auf Surplus noch deutlicher wird: Niemandem geht es besser, wenn die neue Grundsicherung anderen das Leben erschwert. Und auch die AfD wird davon nicht kleiner.
Wohl wahr. Nachdem „Io sono Giorgia“ aus dem römischen Arbeiterviertel Garbatella die Transformation Italiens im Stile der „Rettung der jungen italienischen Republik und seiner Eliten der 1920er durch den Duce“ vollzogen hat: wartet Deutschland nun auf seine Vollstrecker des kulturellen Erbes der Durchsetzung weitergehender Austeritätsmaßnahmen? Wird auch diese teutonische Transformation kommen? Denn die als Analystin u.a. bei Goldman Sachs und Allianz Global geschulte Alice dürfte bald, spätestens 2029 vom Wähler dazu ermächtigt werden. Oder verstehen die Kräfte etwas links von der Mitte plötzlich doch, was wem die Stunde geschlagen hat? Es erweckt nicht wirklich den Anschein. Denn dafür bedarf es weiterer Blicke. Der Analyse der Analysen von rechts. Und daraus resultierender Strategien und entsprechender (Zweck-)Bündnisbildung. Jetzt. Eben: bottom-up meeting top-down. Bottom-up mit Weckrufen für die da oben. In Regierung und Opposition.
Geschichte wiederholt sich nicht. Die Transformationen der 1920er und dann frühen 1930er sind anders als die Transformationen im Zeitalter von Smartphones und Interkonnektivität als Megageschäft der post-entropischen Blasenbewohner, die vor dem Kollaps noch ihre physische Existenz im Orbit und auf weiter entfernten Planeten in weiter zu bauenden Blasen retten wollen. Es bleibt eigentlich nur die Frage, die auch Florian Illies sicher nur schwer zu beantworten vermag: wenn „1913 der Sommer des Jahrhunderts“ 4 war: wann begann dann der Herbst des 21. Jahrhunderts? 1979? 2001? Das „goldene Zeitalter des ewigen Friedens nach Waffenstillstand in Gaza“ am 13. Oktober 2025?
Gut. Oder eher: nicht gut. Aber eben unverrückbare Realität. Deutlich absehbar also, dass spätestens 2029 wir hierzulande die AfD mit einem Erdrutschsieg erleben werden. Die Abwicklungen dann des Staates und seiner Dienste: werden diese Schleifverfahren ähnlich wie in den US ablaufen? Wer schwingt dann auf welche Art und Weise die Kettensäge? Und was geschieht mit Migrant*innen? Welche Art von „Remigrationsverfahren“ werden sich wie darstellen? Denn das werden ja Alice und ihre Kohorten sicher einleiten wollen. Müssen gar. Denn schließlich geht es immer bei der Politik um kurzfristige Symbolhandlungen als Simulationen von Glaubwürdigkeit.
Was dabei die planetaren Folgen des bipolaren Rollbacks
inkonsistenter (top down) Politik betrifft, also die globale Erderwärmung und das Hinauszögern bis hin zur völligen Ignoranz und zum Leugnen des Klimawandels: das sollte uns
planetarisch auf Kurs > 3-5° C und mehr global warming 2100 bringen.
Keine wirklich schönen Aussichten.
Wahrlich nicht.
Was ist also zu tun?
Bis 2029 ist ja noch viel Zeit, sagen die einen.
Die Zeit ist knapp, sagen die anderen.
Das Boot ist voll, sagen wieder andere.
Und hoffen bald auf die Rechte, das zu ändern.
Zunächst einmal mehr Felix Schultz‘ zitierend: „Denn am Ende scheitert Klimapolitik nicht an der Bevölkerung. Sie scheitert an einer Politik, die nicht in der Lage ist, ökologische Ziele mit sozialer Gerechtigkeit zu verbinden und damit echte Mehrheiten zu gewinnen.“
Die Verknüpfung roter mit grünen Inhalten und (Gesetzes-)Initiativen ist durchaus machbar. Dazu jedoch bedarf es der berühmten Blicke über den Tellerrand. Und des noch berühmteren Sprunges über den eigenen Schatten. Noch einmal mit dem Blick zurück nach vorne:
Beispiel „Bau-Turbo“ und
rot-rot-grünes Zusammen (Auf)arbeit(en)
Letzte Woche, am 09.10.2025 wird also verkündet, dass der „Bau-Turbo“ § 246e BauGB im Bundestag beschlossen worden ist. „Mehr Bauflächen, weniger Bürokratie“ lautet eine Kapitelüberschrift auf tagesschau.de. Sie deutet auch sogleich an, dass Innen- vor Außenentwicklung und Versiegelungsthemen und andere „klimapolitisch relevante Maßgaben“ sekundär bis tertiär bewertet werden. Die junge SPD-Bauministerin Verena Hubertz aus Trier wird zitiert mit der Aussage, „mit der Reform werde vieles günstiger und schneller gehen“. „Bezahlbarer Wohnraum“, die Bearbeitung der Wohnungskrise:
das ist das Primärziel, wird da impliziert.
Die Befristung der „konkreten Regelung bis Ende 2030“, der Hinweis des baupolitischen Sprechers „der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, die Kommunen hätten künftig keine Ausrede mehr und alle Mittel an der Hand“: geht so „konkurrierende Gesetzgebung anno 2025“ im öffentlichen Recht zwischen Bund, Ländern und Kommunen?
Im Sozialwissenschaften-Unterricht der frühen 1980er Jahre habe ich da etwas anderes unter dem Begriff funktionaler und ausgleichender Gesetzeshierarchien im Föderalismus zwischen Bund und Ländern bis eben hinunter in die Kommunen und zur dafür erforderlichen „Streitkultur“ gelernt. Berufspraxis mit Bau- und Planungsrecht als wesentliche Bestandteile öffentlichen Rechts unter privatisiertem Verwertungsdruck zeigen mir auch andere Themen auf: ist der „Bau-Turbo“ in dieser Form purer Aktionismus, Quotenheischerei ohne wirklich transformativ nachhaltige Kraft im Rahmen der sozialen und raumplanerischen Erfordernisse in Zeiten von „Polykrisen“? Blanker „Populismus“ gar?
Reallöhne, Nominallöhne und Verbraucherpreise / Kaufkraftparität sehen hier bei destatis wieder leicht verbessert aus im Verhältnis zum Stand von 2019, also vor der Pandemie. Verwertungsdruck bei Grund und Boden, Stichwort „Mietwucher“, Kompensation hoher Lohneinbußen bei Reallöhnen 2020-2023, „Fachkräftemangel“ zudem im (Bau-) Handwerk: all dies kann in dieser Statistik so nicht wiedergegeben werden. Es schlägt jedoch auf dem Boden der Tatsachen maßgeblich zu Buche. Wer baut was und wo bevorzugt unter der vermeintlich reduzierten Regelhaftigkeit des „Bau-Turbos“? Was geschieht mit dem „bezahlbaren Wohnraum“?
Barbara Metz, Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe wird in der taz zum hier mehrmals auch in einem Wort geschriebenen „Bauturbo“ zitiert: „Wir brauchen einen Fokus auf den Umbau“.
Weiterhin fehlen „soziale Vorgaben“ und „Er konterkariere zudem die Klimaziele“.
Auf tagesschau.de wird aus dem Plenarsaal berichtet: „Grüne kritisieren Pläne als "leere Versprechen".
Das „Gebäudeenergiegesetz“ der Ampel, das alsbald als „Heizhammer“ zerrissen wurde im Mediendschungel, versäumte in gleicher Weise (sozial-) raumplanerische Themen wie „Quoten für sozialen und gemeinwohlorientierten Wohnraum sowie eine Bauverpflichtung, damit genehmigte Projekte auch wirklich umgesetzt werden."
Gibt es im Kulturkampf und Parteiendschungel noch Fehlerkorrekturen und Lernfähigkeit, die auch gezielte und umfassende, sozialräumlich ausgewogene Gesetzesvorlagen ermöglicht? Oder sind die „etablierten Parteien“ (die Mitte und etwas links davon) so sehr von ihrer Angst vor der AfD getrieben, dass da nur noch Schnellschüsse ohne wirkliche Nachhaltigkeit und allgemeingültige und sozialverträgliche Zukunftsfähigkeit möglich sind? Was bedeutet das im Hinblick auf maßgebliche (wahl-) strategische Themen bis spätestens 2029? In Ost und West?
Mathias Jehling, Leiter der Forschungsgruppe Urbane Struktur und Politik am Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung in Dresden und Lehrer an der dortigen TU wird in der Zeit dazu interviewt:
„Erst einmal ist der Bauturbo nur ein Genehmigungsturbo“ und „Langfristig kann der Bauturbo teuer werden".
Seine Aussagen bestätigen und bekräftigen nochmals Barbara Metz‘ Aussagen von der DUH. Was indes wäre also zu tun auch im Hinblick auf spätestens 2029, um meine (und viele andere) Gedanken auch hier zu Gesetzesvorlagen, Kulturkampf und Parteiendschungel weiterzuführen? Und: Strategien Hannah Arendts Vita activa folgend auch zur Unterstützungsfähigkeit und Umsetzbarkeit zu bringen?
An einem Strang ziehen zu besserer Ergebnisoffenheit
Das betrifft viele Bereiche öffentlichen Rechts. Die Stärkung der Justiz zur besseren Ermittlung von und gegen Auswüchse organisierter Kriminalität, besser geförderte Kommunikation zwischen verschiedenen Behörden, bessere Kontrollen von Investitionen und ihren Gewinnmargen und den Ertragszeiträumen im öffentlichen Raum und zwischen öffentlichen und privaten Räumen: da ist enorm viel zu tun, um endlich größere Effizienz und vor allem auch: Gemeinwohlorientierung zu erreichen.
Als ich 2011-13 im Planungsausschuss der Stadt Düsseldorf als „kompetenter Bürger“ ohne Parteibuch für die Linken saß, da war es ganz deutlich, wie von der konservativ-(neo-)liberalen Mehrheit die Rückräume für Anleger-/ Investoren und ihre Interessen immer freigehalten wurden. Besonders eine Dame, die von Bau- und Planungsrecht eigentlich nicht wirklich Ahnung hatte und mir gegenübersaß, tat sich da als konsequente Abwieglerin hervor. Als Vorstandsmitglied der Renew-Fraktion im EU-Parlament indes gibt es heute eher Schnittstellen und Berührungspunkte unserer Denkweisen nicht in Bereichen von BauGB und (urbaner und regionaler) Innen-, sondern mehr in der Außenentwicklung Europas per se.
Die Vertrauenskrise auch bei Anlegern und Investoren nun, die befürchteten reduzierten Erträge und Gewinne zumal im Zuge von Inflation und Zinsentwicklung: ein funktional agierender Staat muss da besser hinsehen und punktuell entsprechend für bessere Planungssicherheiten über Legislaturperioden hinaus sorgen. PPP, also Public-private-Partnership als Einbahnstraße zu erhöhten Profitmargen einzelner Investoren kann so durchaus auch zu „Commons-Public-Partnerships“ im Sinne Isabel Feichtners u.a. Forschender und Lehrender im öffentlichen Recht und Wirtschaftsvölkerrecht transformiert werden 5.
Zumal der Fachkräftemangel bedarf vielfältiger Formen der Aufarbeitung. Harte und konfliktreiche Aufbauarbeit von (persönlichen) Vertrauensmargen und mehr. Auch damit Heranwachsende, ob mit oder ohne Migrationshintergrund bessere Zugangsmöglichkeiten und besseres Standing in Bewerbungsverfahren und bald eben auch in Arbeitsprozessen selbst erfahren können. Wobei KMU’s, also Klein- und Mittelständische Unternehmer in Handel, (Bau-) Handwerk und Industrie eben auch besseres Monitoring und mehr Transparenz in Ausbildung und Lehr- und Arbeitsprozessen erfahren sollten. Letztlich (Selbst-) Verpflichtungen, die auch bald zu besserer Performance – und zu mehr Vertrauen in verheißungsvollere Zukunftsentwürfe geführt werden können. Transparenz und die vielen Möglichkeiten des Vertrauensaufbaus involvierend. Damit das Kind im Bade weiterhin oder bald wieder die erforderliche Sicherheit und Nestwärme zu spüren vermag.
Inwiefern da „Umweltrisiken“ im Rahmen des „Bauturbos“ rasch zwischen und in den letztlich mit der Ausführung betrauten Kommunen ermessenstechnisch klug und nachhaltig abgewogen und Eigentümer-Nutzer-Konflikte in Stadt- und Regionalplanung insbesondere bei sozialen Infra-, Intra-, Inter- und Trans-:Strukturen koproduktiv und gemeinwohlorientiert im Sinne der dreifachen Innenentwicklung und der nicht minder erforderlichen „Bauwende“ vollzogen werden können: das bleibt eine der spannendsten Herausforderungen dieser Legislaturperiode. 3
Anmerkungen